Wer kennt es nicht? Man hat ein Material, das in der Basismengeneinheit „Kilogramm" geführt wird, braucht aber dennoch eine alternative Mengeneinheit, zum Beispiel „Stück". Im SAP-System löst man dieses Problem in den Materialstammdaten über die Zusatzdaten und die alternativen Mengeneinheiten.
Dadurch kann ein Material, das in Kilogramm geführt wird, auch automatisch in Stück oder Liter umgerechnet werden. Von der Basismengeneinheit wird die jeweilige Mengeneinheit über einen Umrechnungsfaktor errechnet. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass jedes Stück des Materials ein vorgegebenes festes Gewicht hat.
Soweit so gut. Doch was macht man, wenn plötzlich mit Chargen gearbeitet werden muss und jede Charge womöglich ein anderes Gewicht hat?
Natürlich nicht verzweifeln.
Der zuvor genannte Umrechnungsfaktor lässt sich auch auf Chargenebene anstelle des Materials anwenden. Im Material definiert man die geplante Umrechnung und auf der Charge das tatsächliche Umrechnungsverhältnis in die Basismengeneinheit. Wie die Berechnung funktioniert und wo sie eingestellt wird, zeige ich an späterer Stelle. Wichtig ist zu wissen, dass die Bestandsbewegungen und Bestände in der Basismengeneinheit gespeichert bleiben. Hier kann jedoch in den jeweiligen Übersichten auch die umgerechnete chargenspezifische Mengeneinheit abgebildet werden.
Produktmengeneinheiten und Anteilsmengeneinheiten
Zur Auswahl stehen zwei verschiedene chargenspezifische Materialmengeneinheiten: die Produktmengeneinheiten und die Anteilsmengeneinheiten.
Während Anteilsmengeneinheiten eher in der Lebensmittel-, Chemie-, Pharma- und Konsumgüterindustrie Anwendung finden, wo sich gefertigte Materialien oder Komponenten aus verschiedenen Anteilen zusammensetzen, konzentriere ich mich in diesem Blogbeitrag vielmehr auf die zuerst genannte Mengeneinheit: die Produktmengeneinheit.
Die Produktmengeneinheit wird hauptsächlich in der stahl-, textil-, holz- und papierverarbeitenden Industrie genutzt. Hier werden häufig Materialien in alternativen Mengeneinheiten geführt. Allerdings variiert das Umrechnungsverhältnis der Mengeneinheit in die Basismengeneinheit von Charge zu Charge. Mit der Produktmengeneinheit wird die gesamte Menge eines Materials alternativ zur Basismengeneinheit beschrieben. So wiegt ein Stück einer bestimmten Charge X Kilogramm oder entspricht einem Rohr mit X Millimetern Länge.
Mit chargenspezifischen Mengeneinheiten in SAP arbeiten
Bevor man mit den chargenspezifischen Mengeneinheiten in SAP arbeiten kann, sind einige Einstellungen im System notwendig, unter anderem die Aktivierung der chargenspezifischen Mengeneinheiten (siehe Abb. 1), da in der Standardauslieferung dieses Kennzeichen nicht aktiviert ist.
Im Customizing findet man die Einstellung unter Logistik Allgemein => Chargenverwaltung => Chargenspezifische Materialmengeneinheiten => Chargenspezifische Materialmengeneinheiten aktivieren.
Sollte dieses Kennzeichen nicht gesetzt sein, ist das Customizing dennoch möglich. Das heißt, alle Einstellungen wie Umrechnungen etc. können bereits vorgenommen werden. Das zusätzliche Register im Materialstamm (Abb. 2) für weitere Einstellungen erscheint aber erst nach der Aktivierung wie oben beschrieben. Zudem ist der Einsatz der Chargenverwaltung im Materialstamm Voraussetzung für die chargenspezifischen Materialmengeneinheiten.
Doch was muss nun noch konkret im Customizing eingestellt werden, damit die chargenspezifischen Materialmengeneinheiten funktionieren?
Zunächst muss sichergestellt sein, dass die benötigten Maßeinheiten für die Basismenge (physische Menge), die Anteils-/Produktmenge und das Verhältnis von Anteils-/Produktmenge zu Basismenge oder das Verhältnis Basismenge zu Anteils-/Produktmenge vorhanden sind.
Dazu geht man im Customizing zu SAP NetWeaver => Allgemeine Einstellungen => Maßeinheiten überprüfen.
Als nächstes werden die chargenspezifischen Materialmengeneinheiten im gleichnamigen Customizing-Schritt bearbeitet.
Logistik Allgemein => Chargenverwaltung => Chargenspezifische Materialmengeneinheiten => Chargenspezifische Materialmengeneinheiten bearbeiten
Hier müssen die benötigten Anteils-/Produktmengeneinheiten gepflegt sein.
Nun folgt die Einrichtung des Umrechnungsfaktors für die Produktmengeneinheiten.
Unter Logistik Allgemein => Chargenverwaltung => Chargenspezifische Materialmengeneinheiten => Produktmengenumrechnung => Berechnung Produktmenge aus Basismenge definieren
Hier wird als Beispiel die Anzahl Stück pro Kilogramm als chargenspezifische Mengeneinheit gewählt (Abb. 5).
Optional kann auch die Basismenge aus der Produktmenge definiert werden. Somit wird die Relation umgekehrt.
Diesen Punkt findet man unter Logistik Allgemein => Chargenverwaltung => Chargenspezifische Materialmengeneinheiten => Produktmengenumrechnung => Berechnung Basismenge aus Produktmenge definieren.
Nachdem nun alle erforderlichen Einstellungen im Customizing abgeschlossen sind, legt man noch ein nummerisches Klassenmerkmal der Klasse 023-Charge an, um den Umrechnungsfaktor für eine Produktmenge abzubilden. Die Chargenklasse samt Merkmal/e wird dann den Materialien in der Klassifizierungssicht im Materialstamm zugeordnet.
In den Zusatzdaten pflegt man die alternative Mengeneinheit.
Wie in Abbildung 7 ersichtlich, steht nun das neue Register „Anteils-/ProduktME“ zur Verfügung.
Hier werden die Produktmengeneinheiten gepflegt und das Merkmal zugeordnet, das den Umrechnungsfaktor enthält.
Damit sind auch im Materialstamm alle erforderlichen Einstellungen vollständig
Aber was genau kann man nun mit diesen Einstellungen machen?
Im System wurde eine Bestellung angelegt und über die Fiori App „Warenbewegung buchen“ der Wareneingang zur Bestellung gebucht.
Der Beleg kann in der App nun mit der chargenspezifischen Mengeneinheit, hier „Stück“ anstatt „Kilogramm“, gebucht werden.
Wird die Menge in Erfassungsmengeneinheit geändert, so rechnet sich auch automatisch die Menge in der Lagermengeneinheit (Basismengeneinheit) aufgrund des Umrechnungsfaktors um.
In der Bestandsübersicht zum eingekauften Material wird zunächst der Bestand in der Basismengeneinheit dargestellt (Abb. 11).
Die Mengeneinheit kann jedoch in die chargenspezifische Mengeneinheit geändert werden, sodass nun auch der Bestand in Stück angezeigt wird.
Fazit
Das Konzept der chargenspezifischen Mengeneinheiten in SAP zieht sich durch nahezu alle Bereiche. In der Produktion kann man so beispielsweise Produktionsaufträge oder Komponentenmengen der Stückliste in der chargenspezifischen Mengeneinheit erfassen. Im Einkauf lassen sich Konditionen oder auch Bestellungen in der neuen Mengeneinheit erfassen und im Vertrieb kann auf Basis dieser chargenspezifischen Mengeneinheit auch eine Preisfindung erfolgen.